Samstag, Januar 10, 2009

Deutschland steht vor einem Super(Internet)wahljahr 2009

Deutschland steht vor einem Superwahljahr. Insgesamt 16 Wahlen finden 2009 statt; von der Europawahl über die Bundeswahl und vier Landtagswahlen bis zu Kommunalwahlen in mehreren Bundesländern. Los geht der Wahlmarathon am 18. Januar in Hessen. Dort versucht die SPD ihren Spitzenkandidaten Thorsten Schäfer-Gümbel über das Internet bekannt zu machen. Ihr bleibt nicht mehr viel Zeit. Hemdsärmlig ruft er auf YouTube zum Videodialog mit Bürgern auf. Mehr als 50.000 Mal ist der Videoclip bisher angeklickt worden. Die Kommunikation ist im Gegensatz zu den vergangenen Auftritten der Parteien im Internet medialer geworden. Der jüngste Parteitag der CDU Hessen in Hofheim wurde live im Internet übertragen. Mehr und mehr stellen die Kandidaten auf den Websites der Parteien kurze Videos ins Netz. Einen interessanten Weg geht die Junge Union Hessen, um insbesondere junge Wähler zu begeistern. Die jungen Wähler verstehen sich als Internet-Wahlkampfzentrale der CDU. Interviews mit Kandidaten geben einen Einblick in die Politik. Noch sind solche Ansätze allerdings weit entfernt vom Obama-Internetwahlkampf. Dort bildeten sich Zehntausende von Unterstützergruppen mit Millionen Anhängern über das Netz, die u.a. zu eigenen Treffen in der Nachbarschaft aufriefen. Unter www.mybarackobama.com konnten sich Unterstützer registrieren und eine eigene Community bilden. Die Organisation von Telefonanrufen potentieller Wähler zählte zu den Schwerpunkten der Aktivitäten. Aktivisten konnten über die Website auf Telefonnummern zugreifen, um Wähler zur Stimmabgabe zu bewegen. Gleichzeitig wurden Argumentationstexte zur Verfügung gestellt.

Der deutsche Internetwahlkampf wird noch stark parteiorientiert geführt. Es sind überwiegend die Parteiorganisationen, die im Netz mobil machen und sich auf herkömmliche Interaktionselemente stützen. Angesichts drängender Problemlagen, wie der Notwendigkeit besserer Bildung, nachhaltiger Energieversorgung und ökologisches Wirtschaften werden sich künftig mehr und mehr Interessengruppen jenseits der Parteiorganisationen im Netz bilden und ihre Vorstellungen von Politik artikulieren. Das wird besonders für den Bereich der Bildung gelten. Hier sind die Bürger enttäuscht über die Politik. In Kleinmachnow bei Berlin mobilisieren Bürger über die Website www.Kinderohnelehrer.de und listen u.a. die ausgefallenen Schulstunden ihrer Kinder auf.

Für die Bündelung spezieller Interessen und die Organisation der Akteure wird in Zukunft das Internet eine bedeutende Rolle spielen. „Virtuell organisiert und real präsentiert“ lautet künftig der Weg. Wahlkampfveranstaltungen werden so zielgruppenspezifischer und damit interessanter. Die technischen Möglichkeiten sind aber noch nicht ansatzweise ausgeschöpft. Denkbar ist zum Beispiel, von zentralen Politikservern der Parteien tagesaktuelle Aussagen von Spitzenpolitikern in lokale Wahlkampfveranstaltungen über Videoclips einzuspielen und damit die Kluft zwischen Wählern und Gewählten zu verringern. Votings und Mailaktionen direkt aus Wahlkampfveranstaltungen heraus an Kandidaten oder Mandatsinhabern dienen als Verstärker. Ebenso wird Twitter eine Rolle spielen, um schnelle Botschaften über Kandidaten auszutauschen. Auch der Einsatz von RFID auf Wahlplakaten ist noch Zukunftsmusik. Durch elektronische Tags bietet sich hier die Möglichkeit, weitergehende Informationen „im Vorbeigehen“ automatisch über das Internet abrufen zu können. Nur Verhalten eingesetzt werden bisher Podcasts. Sie sind gut geeignet, Entwicklungen oder besondere Ereignisse zu kommentieren. Das gilt besonders für die lokale Ebene. Hier wollen die Bürger wissen, wie ein Kandidat zu bestimmen Maßnahmen steht.

Wie es geht, zeigte schon vor zwei Jahren Christoph Meineke, Bürgermeister der Gemeinde Wennigsen. Als jüngster Bürgermeisterkandidat Niedersachsens setzte er konsequent auf das Internet und wurde prompt gewählt.

Videoclips, Podcast, Blogs und Kandidatenhomepage machen aber auch eins besonders deutlich: Die Botschaften müssen stimmen. Kandidaten ohne Botschaften oder klares politisches Profil sind langweilig. Sie haben künftig kaum Chancen, außerhalb der Hinterzimmerpolitik Mandate zu erlangen. Das Internet fördert Transparenz und Offenheit. Ohne breite Kommunikation geht nichts mehr. Und das ist gut so.

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