Dienstag, September 29, 2009

Alle Parteien stehen vor einer Erneuerung - Chancen zu mehr Partizipation nutzen

Mehr oder weniger alle Parteien stehen vor der Notwendigkeit einer Erneuerung. Das gilt besonders für die innerparteiliche Demokratie und die Einbindung von Bürgern in ihre Arbeit. Die Zeiten, in denen in den Hinterzimmern der Politik Funktionsträger von wenigen Experten vorgeschlagen und ausgemacht wurden, neigen sich dem Ende. Gleiches gilt für die zentralen Themen der Gesellschaft. Mehr Partizipation, mehr Teilhabe aller ist angesagt. Die beiden großen Parteien haben bei der letzten Bundestagswahl rund 10 Millionen Wähler verloren, die Zahl der Parteimitglieder geht bei fast allen Parteien seit Jahren zurück. 875.000 Menschen haben die Piratenpartei gewählt. Das sind 2 Prozent aller Stimmen. Bei den bis zu 25-Jährigen betrug der Anteil 9 Prozent. Sie wollen das Internet stärker auch für die Politik nutzen. Die Grünen haben vor 30 Jahren mit 1,5 Prozent angefangen. Man mag über die Programmatik der Piratenpartei (noch) lächeln, eines ist jedenfalls gewiss: Wie keine andere Partei ist es ihr gelungen, mit wenigen Mitteln über das Internet eine breite Kampagne aufzusetzen und viele an der Formulierung ihrer Themen zu beteiligen. Neue Bewegung kommt durch die „Facebook-Generation“ auf. Viele wollen sich in neuen Formen auch für das Gemeinwesen engagieren.

Dem Erosionsprozess der klassischen Parteien steht die Ausweitung neuer Kommunikationsinstrumente wie Web 2.0 gegenüber. Die Bürger wollen mehr Transparenz, sie wollen mitreden in sozialen Netzwerken, sie wollen ihr Wissen einbringen. Das gilt auch für die Politik. Webseiten wie www.Abgeordnetenwatch.de fragen die Parlamentarier, wie sie sich für Bürgeranliegen wo eingesetzt haben. Sämtliche Bundestagsabgeordnete sowie die Landtagsabgeordneten aus den Bundesländern können in diesem virtuellen Wählergedächtnis öffentlich einsehbar befragt werden. Das wird sich ausweiten.

Politiker werden immer mehr zu Dienstleistern. Parteien müssen sich zu modernen Netzwerken entwickeln, vielleicht mit unterschiedlichen Mitgliedschaften, wo Themen breit und offensiv aufgegriffen werden können. Wissen wird durch teilen wertvoller. So entstehen neue Lösungen für die Politik von morgen. Die Bürger müssen als aktive Gestalter ihrer Gesellschaft angesprochen und eingebunden werden. Nur mit ihnen wird der radikale Umbau der Industriegesellschaft zu einer karbonarmen Gesellschaft gelingen. Das Angebot der Politik muss partizipatorisch und aktivierend verwirklicht werden, schreiben Claus Leggewie und Harald Welzer in ihrem jüngsten bemerkenswerten Buch „Das Ende der Welt, wie wir sie kannten“.

Die SPD steht in diesen Tagen als erste vor dieser Herausforderung. Willy Brandt forderte seinerzeit „Mehr Demokratie wagen“. Das gilt auch heute. Den anderen Parteien wird es nicht anders gehen, wenn sie nicht den Erneuerungsprozess zu mehr Teilhabe der Menschen frühzeitig anstoßen. Noch nie in der Geschichte hatten wir soviel Instrumente für den Dialog, wie heute. Wir müssen sie konsequent nutzen.

Montag, September 07, 2009

US Präsident veröffentlicht Besucherliste

"Your Seat at the table" - hieß es auf der Webseite des gewählten, aber noch nicht vereidigten US Präsidenten Barack Obama. Als Zeichen einer transparenten Politik ließ Barack Obama veröffentlichen, wer einen Termin bei ihm hatte und was erörtert wurde. Zudem wurden auch vorher eingereichte Positionspapiere oder Statements der Besucher veröffentlicht.

Wenige Monate nach Amtsantritt übernimmt Obama diese eizigartige Transparenz. Künftig werden die Besucherlisten des US Präsidenten und die Protokolle der Gespräche mit einer Zeitverzögerung von drei Monaten im Internet veröffentlicht. Ausgenommen davon werden Termine sein, die die nationale Sicherheit gefährden können sowie private Termine. In jedem Fall ist es ein weiterer Schritt einer konsequenten Verfolgung der Politik des offenen und transparenten Regierens und Verwaltens.
Nähere Infos unter: http://www.whitehouse.gov/VoluntaryDisclosure/

Donnerstag, September 03, 2009

Südkorea: Breitband mit 1 Gigabit/sek in 5 Jahren

Es ist immer wieder gut, von Zeit zu Zeit über den Zaun zu blicken: Im internationalen Wettbewerb um die leistungsfähigste IuK Infrastruktur hat Südkorea gerade einen neuen 5-Jahres-Plan verkündet: Sie wollen in den nächsten fünf Jahren insgesamt 151 Milliarden US Dollar in neue IuK Infrastrukturen investieren. Dabei soll u.a. auch ein Hochgeschwindigkeits-Breitbandnetz aufgebaut werden, das 1 Gigabit/Sekunde schnell sein soll - zehnmal so schnell wie Koreas derzeitiges Breitbandnetz, das international sowieso schon als Best Practice gilt.
Damit wird der Wettbewerb erneut verschärft: Deutschland zieh dich warm an. Dagegen sehen unsere Breitbandpläne (Bis 2018 Volldeckung auf mindestens 50 mbit/Sekunde) ziemlich alt aus.

Dienstag, September 01, 2009

Politik trifft Wirklichkeit

Kommentar von Franz-Reinhard Habbel zum Government 2.0 Camp in Berlin

Das war keine Veranstaltung. Das war ein Ereignis, welches in der Verwaltungsmodernisie-rung Zeichen gesetzt hat. Konferenzen zur Modernisierung gibt es derzeit viele. Sie zeichnen sich manchmal dadurch aus, dass die spannendsten Teile in den Pausen passieren, dort wo sich die Teilnehmer ungezwungen unterhalten, über das Reden, was sie am Thema direkt und unmittelbar berührt.

In Berlin war es anders. Mit 400 Teilnehmern, davon rund 40 Prozent aus der öffentlichen Verwaltung, zum eGovernment eine Veranstaltung ohne Einladung und Tagesordnung zu machen, war eine Herausforderung. Sind doch für Teilnehmer oder Veranstalter Tagesord-nungspunkte oftmals die Leitplanken, an denen man sich orientieren oder festhalten kann. Gerade deutsche Verwaltungen lieben solche Haltepunkte besonders. Oftmals gehen sie aber zu Lasten der Spontaneität und Kreativität.

Wer bisher glaubte, Twitter sei für den öffentlichen Dienst ein Spielzeug und für die Kommu-nikation nicht geeignet, wurde auf dem Government Barcamp in Berlin eines besseren be-lehrt. Es war erfrischend zu sehen und zu lesen, wie spontane Äußerungen zu Rednern und Inhalten auf der Twitterwall der Veranstaltung eine Art „Leichtigkeit des Seins“ erzeugten und eine Stimmung widerspiegelten, die von der Bereitschaft zu Reformen und zum Mitmachen getragen war.

„Wir wollen was tun, wir wollen uns engagieren“, lautete die Botschaft vieler Teilnehmer. So gaben in einer Wandelhalle zwei Wandelgestalter Impulse zur Verwaltung von morgen und diskutierten mit Bürgern und Mitarbeitern aus Verwaltungen.

Deutlich wurde auch die Notwendigkeit sozialer Netzwerke für den öffentlichen Dienst. Wie schrieb einer in Twitter: „Wir wollen in den Verwaltungen mehr miteinander kommunizieren“. Nicht für alle Treffen oder Veranstaltungen ist ein Barcamp geeignet. Es zeigt aber, wie wich-tig und notwendig es ist, neue Formate des Dialoges zu nutzen. Die Veranstaltung in Berlin war ein großer Erfolg. Und noch eines zeigte sich: Die Politik muss wieder die Wirklichkeit treffen. Sie ist gut beraten, sich den Entwicklungen in den sozialen Netzwerken anzuneh-men. Hier steckt ein großes Potenzial zur Neuausrichtung von Staat, Wirtschaft und Zivilge-sellschaft. Bemerkenswert war auch die Aussage von Innenstaatssekretär Hans Bernhard Beus auf dem Camp, wonach wir uns an einen neuen Dialog gewöhnen müssen. „Dafür ist ein Kulturwandel bei allen Beteiligten notwendig. So darf nicht mehr das ganze Ministerium, bis hin zum Minister, für Aussagen einzelner Beschäftigten verhaftet werden“.