Dienstag, Mai 18, 2010

Deutschland vor einer neuen Wende - Sparen allein genügt nicht. Wir müssen uns mehr anstrengen.

Nun passiert es wirklich. Nach der Finanzkrise, der Wirtschaftskrise und jetzt der Krise der Staatsfinanzen beginnt die Suche nach Einsparmöglichkeiten, um die Haushaltsdefizite von Bund, Ländern und Gemeinden in den Griff zu kriegen. Der Bund muss im nächsten Haushalt mindestens 10 Milliarden Euro einsparen. Nicht nur die Schuldenbremse macht dies notwendig. Das Loch in den kommunalen Kassen wird immer größer und erreicht Ende des Jahres 15 Milliarden Euro. Das hat es in der Geschichte der Republik noch nicht geben.

Immer mehr Politiker testen ihre Sparvorschläge in den Medien. Täglich können wir lesen, hören oder sehen, wo gespart werden soll. Folgen werden in den nächsten Wochen konkrete Sparlisten. Deutschland wird aufs Sparen konditioniert. Wo können die Ausgaben gesenkt werden? Was können wir uns noch leisten und vor allen Dingen, wo sollte gerade nicht gespart werden? Einzelne Städte wie zum Bespiel Essen oder Solingen fordern ihre Bürgerinnen und Bürger auf, mit zu machen und selbst Sparvorschläge einzureichen. Längst geht die Angst geht herum: Wird das deutsche Mini-Wachstum von 0,2 Prozent im ersten Quartal eine Wende zum Besseren einleiten? Was passiert, wenn in den Kommunen das 10 Milliarden Euro schwere Konjunkturpaket II ausläuft?

Keine Frage: Sparen ist dringend notwendig. In der Tat leben wir längst über unsere Verhältnisse. Alle staatlichen Leistungen gehören deshalb auf den Prüfstand, Einschnitte sind notwendig, es darf keine Tabus geben. Aber es fehlt etwas ganz Entscheidendes: Das Setzen von Vertrauen in die Gesellschaft, in die Wirtschaft, in die Wissenschaft und in die Zivilgesellschaft, die Probleme erfolgreich lösen zu können, um damit den Bürgerinnen und Bürger eine Perspektive zu geben. Deutschland besitzt diese Erneuerungsfähigkeit. Wir müssen die Chancen in der Krise sehen und diese nutzen. „Wer Misstrauen sät, riskiert eine Inflationsspirale mit zerstörerischen Folgen für Wachstum und sozialen Frieden“, schreibt Heike Göbel in der FAZ. Und der Spiegel titelt in dieser Woche: „Aus Schutt und Schuld – der unglaubliche Wiederaufstieg der Deutschen nach 1945“. Die gleichen Anstrengungen, wenn nicht so gar noch größere, die für die Sparvorschläge unternommen werden, müssen auch für Reformen, Erneuerung und Innovation unternommen werden. Nur so können wir ein wachstumsförderliches Umfeld schaffen. Denn nur damit können wir letztlich die Krise meistern.

Wir brauchen eine Reformoffensive. Auch hier sind die Bürge-rinnen und Bürger und damit die Schwarmintelligenz vieler gefragt. Wenn die Ölgesellschaft BP weltweit mittels Web 2.0 händeringend nach Lösungsvorschlägen zur Beendigung des Desasters vor der US-Küste sucht, sollte dies auch für Deutschland gelten, mit den Bürgern und Bürgerinnen breit nach unkonventionellen Lösungen zu suchen, wie der Staat fit und zukunftsfest gemacht werden kann.

Dringend notwendig ist ein sektorübergreifender Innovationsschub, der die künftigen Schlüsselinfrastrukturen wie Breitband, Energie und Mobilität stärkt. Leider konnte hier das Konjunkturpaket II wenig Wirkung erzeugen. Wir brauchen intelligente Stromnetze auf der Basis von Smart Grids, wenn wir Energieerzeugung, -transport und –verwendung in einem kom-plexen System zusammenbringen wollen. Stromtankstellen für Autos müssen mittels Informations- und Kommunikationstechnologie vernetzt werden. Smart Grids ist dabei ein wesentlicher Baustein von Smart-City, der Stadt von morgen, die alle Infrastrukturen von den Schulen, über Gesundheitszentren bis hin zu Straßen u.s.w. miteinander verbindet, und damit den Ressourcenverbrauch radikal reduziert und nachhaltiges Wachstum stärkt.

Flankiert werden muss der Innovationsschub mit einem gewaltigen Abbau von Bürokratie. Oftmals mehr als zehnjährige Planungszeiten für Vorhaben wie bei Energieprojekten können wir uns nicht mehr leisten.

Es sind gerade die Städte und Gemeinden, die über Innovationskraft und den Reformmut verfügen, Neues zu probieren und von ausgetretenen Pfaden abzuweichen. In den Kommunen steckt immenses Potential, das genutzt werden kann. Das fängt bei der Gewährung von Mikrokrediten für Unternehmensgründer an (Dortmund), geht über das finanzielle Engagement der Bürger für kommunale Infrastruktureinrichtungen (Langen und Quickborn) bis hin zum Projekt „more space“ der TU Wien wonach in Schulgebäuden durch eine dynamische, ereignisorientierte Simulation der Raumbelegung bis zu 40 Prozent mehr Raum für den Unterricht gewonnen werden kann und damit kostspielige Neubauten überflüssig werden.

Dem Neuen eine Chance geben, wie es in dieser Woche wieder der DStGB-Innovators Club in Berlin tut, ist das Gebot der Stunde.

Montag, Mai 10, 2010

Das Primat der Politik zurückgewinnen – Europa und Kommunen sind die wichtigsten Säulen

Was für ein Wochenende im Mai 2010. Erstens: Der 9. Mai war für Europa, Deutschland und die Kommunen ein Tag der Zäsur. Die EU hat sich auf ein beispielloses Rettungspaket mit einem bis zu 750 Milliarden Euro schweren Fonds zur Stützung des Eu-ros geeinigt. Nicht Griechenland, Portugal, Irland oder Spanien stehen auf dem Spiel, sondern die Europäische Union in ihrer Gesamtheit. Eine Alternative zu dem Rettungsplan vom Wo-chenende gibt es nicht, denn sie wäre ein Zerfall Europas in vie-le eigenständige Akteure. Europa würde in der Weltwirtschafts- und Weltpolitik dramatisch an Bedeutung verlieren mit negativen Auswirkungen auf den Wohlstand der Menschen. Die jüngsten Verhandlungen in Brüssel, Frankfurt und Berlin haben deutlich gemacht, wie weit die Globalisierung fortgeschritten und wie be-grenzt inzwischen das Primat der Politik der Nationalstaaten ge-worden ist. Dringend notwendig ist eine bessere Vernetzung der Politiken der EU-Staaten bis hin zu einer Wirtschaftsregierung wie sie jetzt zwischen Frankreich und Deutschland diskutiert wird. Internationale Abkommen wie eine Finanztransaktions-steuer sind dringend notwendig, um den Spekulanten an den Märkten Einhalt zu bieten.

Zweitens: Auf der anderen Seite zeigt sich in den Kommentie-rungen der NRW-Wahl ein klares Bekenntnis fast aller Politiker zur Stärkung der Kommunen. Nach der globalen Politik steht die lokale Politik ganz im Vordergrund. Immer mehr Politiker fordern eine Stabilisierung der kommunalen Finanzen und eine Überprü-fung der Aufgaben weil sie begreifen, dass nachhaltiges Wachs-tum nur mit starken Städten und Gemeinden zu machen ist. Ih-nen wird klar, dass die Lebensqualität und die Standortattraktivi-tät wesentlich von der Handlungsfähigkeit und der Gestaltungs-kraft der Kommunen abhängen. Dem Deutschen Städte- und Gemeindebund ist es gelungen, die Rolle der Kommunen zu ei-nem zentralen Thema in der Politik zu machen. Hieraus müssen jetzt Konsequenzen gezogen werden.

Drittens: Wir brauchen nicht nur ein Energy-Grid, sondern auch ein Policy-Grid, das heißt eine Vernetzung der politischen The-men und der politischen Ebenen von Bund, Ländern und Kom-munen unter Einbeziehung der Wirtschaft und der Bürgergesell-schaft. Weder inhaltlich noch finanziell werden wir es uns leisten können, Ressourcen in Silostrukturen zu vergeuden, anstatt sie ganzheitlich zusammen zu führen.

Und noch ein Viertes: Die neue Landkarte der Politik nach der NRW-Wahl mit einem oppositionellen Bundesrat darf nicht dazu führen, dass die Reformbereitschaft weiter auf der Strecke bleibt. Jetzt müssen die Hausaufgaben gemacht werden, das gilt ins-besondere für die Neuausrichtung der sozialen Sicherungssys-teme wie für den Abbau der Schulden und den weiteren Abbau von überflüssiger Bürokratie. Viel Zeit haben wir nicht.