Montag, August 30, 2010

Big Society - Die britische Regierung will dezentralisieren und setzt dabei auf Bürgerinitiative

David Cameron muss sparen. Die Finanzkrise und die schlechte Haushaltspolitik in den vergangenen Jahren zwingen den neuen Premierminister zu einem radikalen Sparkurs. Das Haushaltsdefizit liegt mit 12% an der Spitze der großen Industriestaaten und soll mit einem sehr ehrgeizigen Plan im Jahre 2015 bereits wieder ausgeglichen sein.

Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die Briten in allen öffentlichen Bereichen Mittel kürzen.

Ein weiteres Element der neuen Sparpolitik ist die Dezentralisierung. Unter dem Stichwort „Big Society“ versucht die britische Regierung die Zivilgesellschaft in die bisherigen Staatsaufgaben einzubeziehen. Man erhofft sich zum einen die hohen Verwaltungskosten in Bereichen wie Bildung und Sozialhilfe runterschrauben zu können. Zum anderen, dass Bürger durch Eigeninitiativen und Selbstverantwortung effizienter und qualitativ besser agieren, als der Staat vorher.

Dafür wurden Beschlüsse gefasst, damit die Zivilgesellschaft an den Aufgaben beteiligt werden kann:

Bildung:
Staatliche Schulen können auf Antrag den Status einer Akademie erhalten.

Non-profit Unternehmen, Stiftungen, Glaubensgruppen, Universitäten, Privatschulen und Eltern können sich an der Schule beteiligen und diese auch verwalten bzw. regulieren.

Selbstverwaltung durch die Träger, unabhängig von staatlichen Rahmenbedingungen
Tarifautonomie bei Lehrern und Personal.

Der Staat übernimmt die Gebäudefinanzierung und bezahlt Prämien für jeden angemeldeten Schüler (Kinder aus sozial schwachen Familien bringen höhere Prämien).

Gesundheit:
Bürger können ihren Hausarzt frei wählen (vorher abhängig vom Wohnort).

Ärzte verwalten das Gesundheitsbudget selbstständig.

Soziales:
Stiftungen und Unternehmen werden staatlich gefördert, wenn sie Arbeitslose vermitteln und/oder einstellen.

Staatliche Sozialarbeiter und freie Wohlfahrtsorganisationen sollen zu unabhängigen Organisationen verschmolzen werden.

Ämter wie Gesundheitsbehörden und Schulaufseher werden abgeschafft und privatisiert.

Als weitere Maßnahmen werden Polizeipräsidenten nun direkt vom Bürger gewählt, die Zahl der parlamentarischen Abgeordneten wird reduziert und Bürgerinitiativen sollen gezielt unterstützt werden. Darüber hinaus soll die direkte Bürgermeisterwahl ausgeweitet werden. Bisher wurde das Amt des Bürgermeisters indirekt besetzt bzw. vom Gemeinderat gewählt.

Die englische Regierung setzt somit ganz auf die Initiative ihrer Bürger und hofft dadurch gestärkt aus der Schuldenfalle hinauszukommen. Ob dieser schnelle und radikale Kurswechsel in der britischen Politik funktionieren wird, wird von der Öffentlichkeit kritisch begutachtet. Sollten sich jedoch bald Erfolge einstellen, könnten auch andere europäischen Staaten nachziehen und ihre Strukturen auf stärkere Bürger- und Wirtschaftkooperationen ausrichten. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass britische Politikstrategien auf die europäischen Länder starken Einfluss genommen haben.

Donnerstag, August 19, 2010

Neuer Personalausweis: Ein normaler Twittertag im Netz

Zum 1.11.2010 startet in Deutschland eines der größten eGovernment Projekte in diesem Jahrzehnt. Der scheckkartengroße neue Personalausweis wird eingeführt. In der Welt von Twitter wird die Einführung der laut Bundesinnenministerium „wichtigsten Karte“ bereits rund um die Uhr diskutiert. Auszüge eines normalen Twittertags im Netz:

So heißt es vor zwei Minuten: „Sicherheit für den ePA-Ausweis: Personalausweis – Experten warnen“

Vor 19 Minuten aus der Gemeinde Winsdorf: „Der neue Personalausweis kann ab 1.November im Bürgerbüro beantragt werden. Weitere Infos gibt es hier…….“

Vor einer Stunde: „Gedankennotiz: Personalausweis ohne Überwachungs-Chip besorgen“

Der Absender gemeindemoeser schreibt: „Informationen zum neuen Personalausweis bieten die Seiten der Einwohnermeldestelle……“

Vor 14 Stunden: „Skurei_Wolf retweetet „datenperso.de: Ansturm auf alten Personalausweis“

Mknachrichten: „!Menden: Informationen zum neuen Personalausweis“

FoxMcLoud: Oh, im November läuft mein Personalausweis ab. Aber ich will den neuen im Scheckkartenformat nicht. Hoffentlich bekomme ich noch den alten…..“

RP Düsseldorf: „Ansturm auf alten Personalausweis…..“

Stadt Karlsruhe: „Hightech“-Personalausweis: Jetzt Termin vereinbaren“

Zappyzwo: „Warum sind so viele Leute eigentlich völlig kritiklos gegenüber dem neuen Personalausweis und kritikwütig bei Google Streetview?“

AndiMeinicke: „Die Stadt Ilmenau berichtet sehr gut und informativ über den neuen Personalausweis. „Besser oder einfach nur….“

Bayern_SPD: „Frank Hofmann: Kosten für elektronischen Personalausweis werden auf Kommunen und Bürger abgewälzt: Anlässlich der d…“.

Interessant ist, dass sich neben Bürgern und Netzaktivisten von der öffentlichen Seite vermehrt die Kommunen melden. Sie haben erkannt, dass auch der Twitterkanal ein geeigneter Informationskanal ist. Wer Produkte, Dienstleistungen, Projekte oder Ideen umsetzen will und eine breite Akzeptanz sucht, kommt an sozialen Netzwerken heute nicht mehr vorbei. Eine Reihe von Unternehmen nutzen inzwischen den Twitterkanal, um zum Beispiel die Stimmung ihrer Kunden aufzufangen. Sie ziehen daraus Rückschlüsse für die Produktentwicklung oder Pflege. So greift Microsoft getwitterte Probleme der Kunden mit der xBox auf und antwortet gleich mit Lösungsvorschlägen auf dem gleichen Kanal. Das kommt bei den Kunden an und reduziert Anrufe bei Callcentern.

Es wäre nicht verkehrt, wenn auch hin und wieder der Bund den Twitterkanal verfolgen und interessante Meldungen oder Antworten selbst veröffentlichen und sich nicht nur auf die offizielle Website www.personalausweisportal.de beschränken würde.

Montag, August 16, 2010

Vorschläge für die IT-Umsetzung der Bildungscard per Twitter gesucht

Bis zum Ende des Jahres muss die Bundesregierung aufgrund einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die Hartz-IV-Regelsätze neu berechnen und die Bildungs- und Teilhabechancen der 1,7 Millionen Hartz-IV-Kinder verbessern. Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen hat eine Idee des Deutschen Städte- und Gemeindebundes aufgegriffen, sog. Teilhabepakete als „Bildungspaket“ zu schnüren, um die Bildungs- und Teilhabechancen für Kinder zu verbessern. Nach den Worten der Ministerin soll das Bildungspaket aus vier Komponenten bestehen: Lernförderung für bedürftige Kinder, freies Schulmaterial und Mittagessen sowie die Möglichkeit, kostenfrei Musikschulen oder Sportvereine besuchen zu können.

Die Abwicklung soll über Bonuskarten für Kinder auf Basis von Chipkartentechnologien erfolgen. In der Diskussion ist, dass jährlich auf die Chipkarte ein Gegenwert von 200 Euro gespeichert wird, vorzugsweise in den Jobcentern. Die Besitzer der Karte zahlen damit mittels entsprechender Lesegeräte beispielsweise den Förderunterricht an der Volkshochschule. Vorbild ist die Stadt Stuttgart, wo bereits heute rund 60.000 Kinder eine Bonuskarte im Wert von jährlich 60 Euro erhalten, die in über 2000 Einrichtungen mit insgesamt 250 Lesegeräten eingelöst werden kann.

Entscheidend wird es darauf ankommen, für die Infrastruktur ein bürokratiearmes, sicheres und einfaches Verfahren zu finden. Hier sind u.a. auch die Kommunen, Rechenzentren und IT-Dienstleister gefragt.

Mit dem Hashtag #Bildungscard wurde von mir gerade eine Twitterwall zur Frage eingerichtet, wie kann man mit IT unbürokratisch diese Idee umsetzen?

Ideen und Vorschläge sind willkommen und werden ausgewertet.