Dienstag, Januar 05, 2010

Einheitlich uneinheitlich

Juan und Reme Pedro sitzen im Internet Café Madrid, ein Cybercafe mit Tapas Bar in der Dulzaina 2 mitten im Herzen der spanischen Hauptstadt. In einer Zeitung liest der 38-Jährige Betriebswirt, dass am 27.12.09 die Europäische Dienstleistungsrichtlinie in Kraft getreten ist und es jetzt sehr einfach sein soll, ohne große Bürokratie eine Dienstleistung in EU-Staaten aufzunehmen. Ein einheitlicher Ansprechpartner hilft bei allen Behördengängen. Also auch in Deutschland. Eine gute Idee der EU, den europäischen Binnenmarkt zu stimulieren. Im vergangenen Sommer waren Juan und Reme erstmals in Deutschland. Das Land hat ihnen gefallen. Dort reifte der Entschluss, in Nordrhein-Westfalen ein spezielles Reisebüro für Spanienreisen aufzumachen.

Im Café Madrid sind Computer in die Tische integriert, mit denen man schnell ins Internet gehen kann. Warum nicht gleich die Idee in die Tat umzusetzen? Es beginnt das abenteuerliche Surfen im Netz. Juans Freund lebt seit zwei Jahren in Solingen. Kein schlechter Ort für eine neue Tätigkeit. Also liegt es nahe, die städtische Seite aufzurufen. Leider gibt es dort keinerlei Informationen zum einheitlichen Ansprechpartner, der einem bei der Behördenreally helfen soll; auch Verweise auf andere Einrichtungen fehlen.

Juan versucht es bei Google. Seine Deutschkenntnisse sind gut und er tippt den Begriff „Einheitlicher Ansprechpartner“ ein. Neun Bundesländer tauchen auf. Das ist ja schon einmal ein Erfolg. Seine Frau sagt ihm, siehe habe gelesen, dass Deutschland aus 16 Bundesländern bestehe. Komisch. Aber das tut hier nichts zur Sache. NRW ist auch dabei. Und weiter geht’s mit dem Klick auf „Einheitlicher Ansprechpartner NRW“. Die Google Antwort erscheint prompt auf dem Bildschirm. 343.000 Dokumente tauchen auf. Damit können Juan und Reme nichts anfangen. An erster Stelle steht die Homepage des Deutschen Städte- und Gemeindebundes mit einer Information über den Gesetzentwurf der NRW-Landesregierung. Die offizielle Internetseite www.ea-finder.nrw.de ist leider so schnell nicht zu finden. In Bremen heißt die Seite www.wfb-bremen.de/de/wbf-genehmigungsprozesse, in Hessen www.eah.hessen.de und in Bayern www.eap.bayern.de Schade, dass es nicht gelungen ist, wenigstens einheitliche Bezeichnungen im föderalen Deutschland zu vereinbaren. Die Zuständigkeiten sind verwirrend. Mal sind es die Kommunen, mal die Kammern, mal das Land.

Die Landesstartseite in NRW ist ernüchternd. Juan wird willkommen geheißen mit dem Hinweis, dass es hier grundlegende Informationen gibt und bald die Seite mit den einheitlichen Ansprechpartnern zur Verfügung steht. Klickt er weiter, sagt ihm die nächste Seite, dass in NRW in zahlreichen Regionen mehrere Kreise und kreisfreie Städte den Services eines EA gemeinsam anbieten. Wie soll er nun Solingen finden? Solingen ist eine kreisfreie Stadt nicht allzu weit von Düsseldorf. Auf der Seite sind zwar die Kooperationsräume mit den Ansprechpartnern gelistet, Solingen taucht aber nirgendwo auf. Laut Liste gibt es einen einheitlichen Ansprechpartner im Kreis Mettmann. Ist der auch für Solingen zuständig? Juan bekommt es nicht heraus. Schade.

Deutschland ist ein großes Land mit einer Regierung. Vielleicht ist dort etwas zu finden. Die Webadresse der Bundesregierung ist schnell gefunden, der Suchbegriff Einheitlicher Ansprechpartner zügig eingeben. 87 Treffer meldet das System. Vom Service des EA keine Spur. Fündig wird man beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie – da ist der Spaniern aber nicht mehr drauf gekommen – wie auch? - mittels einer speziellen Webadresse mit der Bezeichnung www.dienstleisten-leicht-gemacht.de Auf eine solche Bezeichnung muss man erstmal kommen.

Fazit: Es mangelt in Deutschland nicht an theoretischen Informationen. In Hessen beispielsweise läuft der Workflow hervorragend. Das Land Hessen und Berlin sind wohl am besten aufgestellt. Vorbildlich ist auch das Landesportal in Niedersachsen. Warum muss aber die Schrift auf der Dienstleistungsplattform des Landes Hessen so klein sein? Nur mit Mühe findet man oben rechts den „Anmeldebutton“. Wenn Amazon den Button „Zum Einkaufswagen“ so verstecken würde, wären sie nicht der weltgrößte Online-Buchhändler.


Um nicht eine einzelne Stadt zu diskreditieren, Solingen steht beispielhaft für viele Kommunen in Deutschland. Es ist nicht gelungen, eine kommunale Website mit entsprechenden Hinweisen zu finden. Eine bemerkenswerte Ausnahme ist der Landkreis Cuxhaven der zehn Fragen kurz und bündig beantwortet. Auch auf Bundes- und Landesebene fehlt es an Durchblick. Kommunikation, Info-Design, Präsentation, Landing-Pages, Vernetzung, Koordination, Skalierung all dies sind nicht die Stärken deutscher Behörden. Es müsste doch möglich sein, zumindest Webadressen zu vereineinheitlichen. Dazu muss weder das Grundgesetz geändert, noch ein Staatsvertrag geschlossen oder ein Landesgesetz verabschiedet werden. Wir leben nun einmal in einer Zeit der Aufmerksamkeitsökonomie. Nur wer sich bemerkbar macht, wird auch wahrgenommen. Das Thema Kommunikation ist beim Einheitlichen Ansprechpartner noch verbesserungsbedürftig. Noch ist es nicht zu spät.