Dienstag, Januar 01, 2008

Getrennt und doch zusammen

Das Karlsruher Hartz-IV-Urteil über die Verfassungswidrigkeit der Arbeitsgemeinschaften wird die Zusammenarbeit der Behörden eher fördern als behindern. Im Jahr 2005 waren Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II zusammengelegt worden, die Erwerbslosen wurden in Jobcenter gemeinsam von Mitarbeitern der Bundesagentur und der Kommunen betreut.

Mit Deutlichkeit wird nun durch die jüngste Entscheidung des höchsten Gerichts klar, dass das deutsche Rechtssystem und die damit verbundene Verwaltungsorganisation dem neuen Denken nach kundenorientierter ganzheitlicher Verwaltung nur schwer gerecht wird. Der Zusammenarbeit verschiedener Träger wurde durch das Urteil Grenzen gesetzt: Mischverwaltungen sind im Grundgesetz nicht vorgesehen, heißt es lapidar.

Ist das das Ende moderner Verwaltungskooperationen? Nein, das Gegenteil wird der Fall sein. Diejenigen, die mit dem Urteil der obersten Richter den Sieg der alten, klar abgegrenzten und durchstrukturierten Verwaltung in Deutschland bejubeln, freuen sich zu früh. Sie haben einen Phyrruss-Sieg errungen, denn die jetzt beginnende Debatte wird die Themen Kooperation und Netzwerkverwaltung verstärkt auf die Tagesordnung bringen. Die Lösung liegt in den Argumenten der drei Richter, die in Karlsruhe gegen die Mehrheit gestimmt haben. Die drei Richter kritisieren die Mehrheit äußerst scharf. Die Hartz IV Arbeitsgemeinschaften dienten allein der einheitlichen Durchführung der Aufgaben, ohne die Eigenverantwortung der beteiligten Träger zu beeinträchtigen, hieß es. Der Gesetzgeber habe "verwaltungsorganisatorisch Neuland beschritten", um Erfahrungen zu sammeln.

Moderne Informations- und Kommunikationstechniken machen es längst möglich, über jedwede Grenzen hinweg zusammen zuarbeiten, ohne die Identität des Auftragsgeber zu verwischen. Die Hartz IV Arbeitsgemeinschaften oder Jobcenter sind keineswegs ein Auslaufmodell. Im Mittelpunkt steht dort der Arbeitsuchende, Leistungen verschiedener Verwaltungsebenen werden aus einer Hand dem Hilfesuchenden angeboten. Im Zeitalter des One-Stop-Government sollte dies alles unter einem Dach verbleiben. Das Hartz IV-Urteil verbietet nicht, mittels Kooperationsverträge Aufgaben wie Desksharing, also die einheitliche Anlaufstelle des Arbeitssuchenden, Datenhaltung, die Nutzung von Räumen oder die Zahlbarmachung von Leistungen usw. gemeinsam zu organisieren.

Jede Ebene bringt ihre Kernkompetenzen ein. Die Zuordnung der Leistungen zum jeweiligen Träger muss allerdings gewährleistet sein. Das ist heute mit moderner Software kein Problem. So ist es zum Beispiel möglich, verschiedene Bescheide aus gemeinsamen Datensätzen zu erstellen oder gemeinsame elektronische Akten zu führen. In ersten Stellungnahmen zum Urteil propagiert auch die Bundesagentur für Arbeit solche Kooperationsverträge zwischen Kommunen und Bundesagentur. Ein möglicher Weg könnte das Beispiel der 21 Landkreise sein, die in denen Kommunen und Arbeitsagenturen schon heute unter einem Dach zusammenarbeiten, aber dennoch rechtlich getrennte Verwaltungen haben.

Die Jobcenter sind nicht tot. Sie sind erst der Anfang einer themen- und damit bürgerorientierten Netzverwaltung in Deutschland. Andere Bereiche wie Familie, Bildung und Gesundheit werden folgen. Im jüngsten Entwurf des Pflege- und Präventionsgesetzes von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt taucht die Frage der Mischverwaltung erneut auf. Bei den geplanten 4.000 örtlichen Pflegestützpunkten und bei der Präventionsstiftung sind Mischverwaltungen von Bund, Ländern und Gemeinden ausdrücklich vorgesehen. Auch der Begriff der "Arbeitsgemeinschaften" findet sich in dem Entwurf wieder.

Verwaltungskooperationen haben Zukunft. Daran geht kein Weg vorbei. Die gesamte Verwaltung muss sich in den Dienst des Bürgers stellen. Den Bürgern sind Zuständigkeiten egal, die Effizienzrenditen sind hoch. Die Menschen wollen sich nicht im Dickicht der Behörden verlieren. Sie wollen Dienstleistungen des Public Sektors aus einer Hand: umfassend, schnell und preiswert. Gebündelte Kompetenzen und dennoch eine Leistung aus einer Hand - das hat Charme, meint auch Angela Merkel. Darauf sollte sich die deutsche Verwaltung im Wettbewerb der Standorte zügig einstellen.

Nach einigen Anfangsschwierigkeiten haben viele der über 300 Arbeitsgemeinschaften die Vorteile der Zusammenarbeit zugunsten des Arbeitssuchenden erkannt. Diese Zusammenarbeit sollte fortgesetzt werden. Wederder Bund noch die Kommunen allein, können die vielschichten Aufgaben allein bewältigen.