Klares Bekenntnis zum eGovernment - aber bescheidene Reformansätze – Chancen liegen in der Umsetzung
(Berlin 24.10.) Die Themen IKT, eGovernment und Internet sind in der neuen Regierung angekommen. Gleich auf mehreren Seiten befasst sich der Koalitionsvertrag mit der Neuausrichtung des Staates in der Informations- und Wissensgesellschaft. Einer der wichtigsten Sätze lautet: „Wir werden die Potentiale der IKT bei der Lösung der gesellschaftlichen Herausforderungen Gesundheit, Energieeffizienz/Klimaschutz, Sicherheit und Mobilität konsequent einsetzen“. Damit ist ein klares Signal für die Politik gesetzt, mit IKT auch politisch zu steuern. Ob diese Absichtserklärung auch Wirklichkeit werden wird, müssen die nächsten vier Jahre Regierungsarbeit zeigen. Einen ersten Dämpfer gibt es schon: Die elektronische Gesundheitskarte wird zurückgestellt – ein Moratorium zur Klärung von Grundsatzfragen wurde vereinbart. Die Erkenntnis im Koalitionsvertrag ,dass eGovernment nicht bei der klassischen Verwaltungsarbeit aufhört, ist richtig. So wird zum Beispiel der Umbau der Industriegesellschaft zu einer karbonarmen Gesellschaft nur durch den konsequenten Einsatz von IKT gelingen. Gleiches gilt für Bildung und Gesundheit. Entscheidend wird sein, wie insbesondere die Fachministerien in Zukunft die Rolle von IKT und eGovernment einschätzen, lediglich als technisches Hilfsmittel oder stärker als strategische Problemlösung und Möglichkeit zur Politiksteuerung.
Die neue Regierung plant laut Koalitionsvertrag ein eGovernment-Gesetz. Damit sollen rechtliche Regelungen an das moderne eGovernment angepasst werden. Ein solcher Schritt ist zu begrüßen. Besonderes Augenmerk wird die Koalition in den nächsten vier Jahren auf die Schaffung der Voraussetzungen für eine sichere Kommunikation zwischen Bürgerinnen und Bürger sowie der Unternehmen mit der Verwaltung legen. Eine wichtige Rolle soll dabei der freiwillige Identitätsnachweis mit dem elektronischen Personalausweis spielen. Die Sicherstellung einer rechtsverbindlichen elektronischen Kommunikation im Verwaltungsverfahren wurde erneut aufgegriffen. Dies hatte sich allerdings auch schon die alte Regierung auf die Fahnen geschrieben. Die in der EU-Dienstleistungsrichtlinie vorgesehenen elektronischen Kommunikationsmöglichkeiten mit Behörden werden von CDU/CSU und FDP als große Chance für einen Modernisierungsschub in der Verwaltung gesehen. Damit dürfte ein neuer Weg zu einem One-Stop-Government geöffnet sein.
Datenschutz und IT-Sicherheit nehmen einen Schwerpunkt im Koalitionsvertrag ein. Das gilt sowohl für die Behörden als für den nicht-öffentlichen Bereich. Kritische IT-Systeme sollen besser vor Angriffen geschützt werden. Dazu wird das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik gestärkt werden. „Eine vertrauenswürdige, leistungsfähige und sichere Informations- und Kommunikationstechnik ist für unser Hochtechnologieland und den Wirtschaftsstandort Deutschland unverzichtbar“, heißt es in dem Papier. Der Koalitionsvertrag spricht sich dafür aus, ein De-Mail-Gesetz zu verabschieden. Die Erfahrungen aus dem Pilotprojekt in Friedrichshafen sollen allerdings zunächst abgewartet werden. Das Gesetzgebungsverfahren war bekanntermaßen in der letzten Legislatur nicht mehr zum Abschluss gebracht worden. Auf welche Realitäten De-Mail trifft, werden sicher die nächsten Monate zeigen, da auch u.a. die Deutsche Post mit einer eignen Dienstleistung antritt.
Das die Informationstechnik des Bundes der Konzentration, Standardisierung und Effizienzsteigerung sowie Bündlung vorhandener Ressourcen bedarf, ist eine bekannte Notwendigkeit, die in dem jüngsten Vertragswerk noch einmal bekräftigt wurde. Wie es aber hier weiter geht, ist offen. Darüber hinaus heißt es im eGovernmentteil, dass sich die IT des Bundes künftig an offenen Standards orientieren will und Open-Source-Lösungen stärker eingesetzt werden sollen.
Das Thema Green-IT wurde ebenfalls aufgegriffen. Bei allen IT-Vorhaben des Bundes soll verantwortungsbewusst mit den natürlichen Ressourcen umgegangen und der durch den IT-Betrieb verursachten Energieverbrauch in der Bundesverwaltung reduziert werden. Dieses Zielsetzung ist zu begrüßen.
Darüber hinaus will die Bundesregierung ein schnelles Internet für ganz Deutschland. Eine flächendeckende Breitbandversorgung gehört nach der CDU/CSU und FDP Koalition zur Daseinsvorsorge. Um die bislang noch nicht versorgten ländlichen Gebiete Deutschlands flächendeckend mit leistungsfähigen Breitband zu erschließen und gleichzeitig den Ausbau von Hochgeschwindigkeitsnetzen zu beschleunigen, werden verschiedene Maßnahmen ergriffen. Gesetzt wird dabei auf ein nachhaltig wettbewerbliches Umfeld und auf einen Technologiemix sowie Nutzung auf die von Synergien beim Infrastrukturaufbau. Konkrete Daten oder Zahlen hinsichtlich von Bandbreiten wurden aber nicht genannt. Maßnahmen von Bund und Ländern sollen beim Breitbandausbau enger miteinander verzahnt werden. Die Energienetzbetreiber sollen in einen Dialog eingebunden werden mit dem Ziel, sich beim Aufbau von hochleistungsfähigen Breitbandnetzen zu engagieren. Die Regierung wird darüber hinaus investitionsfreundliche Regulierungsinstrumente in den weiteren Ausbau mit einbeziehen.
Innovations- und Standortpolitik, Verwaltungsmodernisierung, Teilhabe von Bürgerinnen und Bürgern und zivilgesellschaftliche Interessengruppen sowie Datenschutz und Netzsicherheit sollen künftig mit der Politik verbunden werden. Die Mitwirkungsmöglichkeiten der Bevölkerung an der demokratischen Willensbildung soll gestärkt werden. Dabei setzt die neue Koalition insbesondere auf eine Weiterentwicklung des Petitionswesens, wonach bei Massenpetitionen über das Internet die Anhörungsrechte gestärkt werden sollen. Weiter heißt es im Text, dass die Modernisierung der Bundesverwaltung weiter vorangetrieben werden soll, für mehr Transparenz, Bürgernähe und Servicequalität.
Web 2.0 Anwendungen sind in diesem Zusammenhang allerdings bei der neuen Regierung noch nicht angekommen. So fehlt zum Beispiel die Absicht, Gesetzentwürfe im Internet zu veröffentlichen oder der Hinweis auf die Nutzung neuer Wissensinfrastrukturen wie Wikis oder Blogs.
Ausdrücklich zu begrüßen sind die klaren Aussagen zur einheitlichen Behördenrufnummer 115. Bis 2011 werden alle Bundesbehörden hieran angeschlossen sein, bis Ende 2013 soll 115 für ganz Deutschland zur Verfügung stehen.
Die Informations- und Mediengesellschaft wird in einem eigenen Abschnitt ausreichend gewürdigt. Die ersten Ansätze zu einer „Internetrepublik Deutschland“ und insbesondere zur Netzpolitik stimmen hoffnungsfroh. Klar und deutlich spricht sich die Koalition dafür aus, eine digitale Spaltung der Gesellschaft zu verhindern. Allen Menschen muss der Zugang zu neuen Medien erleichtert werden. Dies gilt im Hinblick auf die Verfügbarkeit wie auch auf Barrierefreiheit und Medienkompetenz.
Das Internet bildet erstmals einen Schwerpunkt im Koalitionsvertrag und wird nicht nur unter restriktiven Gesichtspunkten gesehen, sondern es werden deutlich die Vorteile für Wirtschaft, Gesellschaft, Staat und Bürgerinnen und Bürger herausgestellt.
Fazit: Der Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und FDP befasst sich ausführlich mit den Themen Internet, e-Government und Informations- und Kommunikationstechnik. In dieser Deutlichkeit hat sich die Politik bisher nicht geäußert. Das ist erfreulich. Von den Möglichkeiten, mit dem Internet zu regieren und ein breites offenes Government für Bürgerinnen und Bürger zu praktizieren, ist die neue Regierung aber noch weit entfernt und hinkt einige Jahre hinter Ländern wie die USA hinter her. Beim eGovernment werden durch die neue Regierung überwiegend bereits gestartete Maßnahmen aufgegriffen und fortgeschrieben. Ein wirklich neuer Reformansatz ist hier nicht erkennbar. Das gilt besonders für mehr Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger mittels Web 2.0 an politischen Prozessen wie zum Beispiel durch Online-Konsultationen. Auch fehlt ein klares Bekenntnis zu einer Transparenzoffensive bei der Präsentation politischer Maßnahmen. Man sollte das Vertragswerk aber nicht überbetonen. Es gibt Ziele vor, hindert aber niemand daran, die Entwicklung schneller und umfassender voranzutreiben. Mut und beherztes Vorgehen sind notwendig, um Politik und Regierung fit zu machen, für den Umbau zu einer bürgerorientierten Gesellschaft im Zeitalter des Internets. Ein Neuanfang ist möglich, er ist aber auch notwendig.
Franz-Reinhard Habbel
Samstag, Oktober 24, 2009
Koalitionsvertrag 2009 Die Internetrepublik ist 2013 über die Rufnummer 115 überall erreichbar
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5 Kommentare:
Interessant ist der Punkt zum flächendeckenden Ausbau der Breitbandversorgung und die Einbeziehung der Energieversorger bei Ausbau der Netze. Dabei ist es nur nachvollziehbar sich bestehender Infrastruktur zu bedienen. Möglicherweise sieht die Politik auch eine gewisse Wettbewerbsverzerrung seitens des Quasi-Monopols der Deutschen Telekom (DTAG), die aufgrund der Marktliberalisierung ihr Netz zwar für den Wettbewerb öffnen muss, andererseits die alleinigen Investitionskosten tragen muss.
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