Mehr oder weniger alle Parteien stehen vor der Notwendigkeit einer Erneuerung. Das gilt besonders für die innerparteiliche Demokratie und die Einbindung von Bürgern in ihre Arbeit. Die Zeiten, in denen in den Hinterzimmern der Politik Funktionsträger von wenigen Experten vorgeschlagen und ausgemacht wurden, neigen sich dem Ende. Gleiches gilt für die zentralen Themen der Gesellschaft. Mehr Partizipation, mehr Teilhabe aller ist angesagt. Die beiden großen Parteien haben bei der letzten Bundestagswahl rund 10 Millionen Wähler verloren, die Zahl der Parteimitglieder geht bei fast allen Parteien seit Jahren zurück. 875.000 Menschen haben die Piratenpartei gewählt. Das sind 2 Prozent aller Stimmen. Bei den bis zu 25-Jährigen betrug der Anteil 9 Prozent. Sie wollen das Internet stärker auch für die Politik nutzen. Die Grünen haben vor 30 Jahren mit 1,5 Prozent angefangen. Man mag über die Programmatik der Piratenpartei (noch) lächeln, eines ist jedenfalls gewiss: Wie keine andere Partei ist es ihr gelungen, mit wenigen Mitteln über das Internet eine breite Kampagne aufzusetzen und viele an der Formulierung ihrer Themen zu beteiligen. Neue Bewegung kommt durch die „Facebook-Generation“ auf. Viele wollen sich in neuen Formen auch für das Gemeinwesen engagieren.
Dem Erosionsprozess der klassischen Parteien steht die Ausweitung neuer Kommunikationsinstrumente wie Web 2.0 gegenüber. Die Bürger wollen mehr Transparenz, sie wollen mitreden in sozialen Netzwerken, sie wollen ihr Wissen einbringen. Das gilt auch für die Politik. Webseiten wie www.Abgeordnetenwatch.de fragen die Parlamentarier, wie sie sich für Bürgeranliegen wo eingesetzt haben. Sämtliche Bundestagsabgeordnete sowie die Landtagsabgeordneten aus den Bundesländern können in diesem virtuellen Wählergedächtnis öffentlich einsehbar befragt werden. Das wird sich ausweiten.
Politiker werden immer mehr zu Dienstleistern. Parteien müssen sich zu modernen Netzwerken entwickeln, vielleicht mit unterschiedlichen Mitgliedschaften, wo Themen breit und offensiv aufgegriffen werden können. Wissen wird durch teilen wertvoller. So entstehen neue Lösungen für die Politik von morgen. Die Bürger müssen als aktive Gestalter ihrer Gesellschaft angesprochen und eingebunden werden. Nur mit ihnen wird der radikale Umbau der Industriegesellschaft zu einer karbonarmen Gesellschaft gelingen. Das Angebot der Politik muss partizipatorisch und aktivierend verwirklicht werden, schreiben Claus Leggewie und Harald Welzer in ihrem jüngsten bemerkenswerten Buch „Das Ende der Welt, wie wir sie kannten“.
Die SPD steht in diesen Tagen als erste vor dieser Herausforderung. Willy Brandt forderte seinerzeit „Mehr Demokratie wagen“. Das gilt auch heute. Den anderen Parteien wird es nicht anders gehen, wenn sie nicht den Erneuerungsprozess zu mehr Teilhabe der Menschen frühzeitig anstoßen. Noch nie in der Geschichte hatten wir soviel Instrumente für den Dialog, wie heute. Wir müssen sie konsequent nutzen.
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